Kosmetik ohne Chemie - endlich habe ich sie gefunden!
Nein, hast du leider nicht. Denn es gibt keine Kosmetik ohne Chemie. Selbst Wasser ist ein chemisches Element. Fast keiner der Inhaltsstoffe, die in Kosmetik enthalten sind, wächst in der Form auf Bäumen. Auch nicht die, die in der Naturkosmetik verwendet werden. Butter und Öle werden erst durch Pressung aus Ihren Nüssen oder Pflanzen erzeugt, ätherische Öle werden durch Destillation gewonnen, Seife durchläuft den chemischen Prozess der Verseifung (und der ist heftig!) usw. usf.
Ja, sagst du jetzt, dann habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich meinte natürlich Kosmetik ohne giftige Inhaltsstoffe.
Nö. Auch das gibt es nicht. Die gefährlichsten Gifte produziert übrigens die Natur selbst. Nehmen wir das Beispiel Pflanzen. Viele der Pflanzen dürfen nur mit Handschuhen geerntet werden, damit der Bauer oder Pflücker keinen Hautausschlag bekommt. Die ätherischen Öle, die stets als ach so natürlich und gut für die Umwelt gepriesen werden, sind in purer Form umweltgefährdend und dürfen auf keinen Fall so auf die Haut gelangen.
Orangenöl zum Beispiel wird als Flüssigkeit gekennzeichnet, die selbst und deren Dampf entzündbar ist. Kann bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein. Verursacht Hautreizungen. Kann allergische Hautreaktionen verursachen. Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Ist ärztlicher Rat erforderlich, Verpackung oder Kennzeichnungsetikett bereithalten. Schutzhandschuhe tragen. BEI VERSCHLUCKEN: Sofort GIFTINFORMATIONSZENTRUM/Arzt anrufen. KEIN Erbrechen herbeiführen. Unter Verschluss aufbewahren. Inhalt und Behälter als Sonderabfall entsorgen. Also wenn das keine Chemie ist, dann weiß ich es auch nicht. Das geächtete Erdöl, das in vielen konventionellen Kosmetikprodukten enthalten ist, verstopft wenigstens nur die Poren und pflegt nicht, trocknet die Haut aus und ist billig im Einsatz. Kein Vergleich zu wirklich gefährlichen Stoffen.
Natürlich macht die Dosis das Gift und Kosmetikrezepturen müssen eine Sicherheitsbewertung durchlaufen. Ohne Gutachten ist ein Verkauf verboten. Was ich damit sagen will: Kosmetik ohne Chemie ist nicht möglich. Auch ohne Düfte ist ein Kosmetikprodukt immer ein Produkt, das so nicht vom Baum gepflückt werden kann.
Wir werden oft gefragt, welches Shampoo ohne Bedenken in der Natur verwendet werden kann. Ganz ehrlich? Keines. Man kann nur abstufen: eine Haarseife ist unbedenklicher als ein konventionelles Shampoo mit Tensiden. Aber eine Haarseife ist Chemie und kommt in der Natur so nicht vor. Deshalb ist sie auch nicht unbedenklich in der freien Natur einsetzbar. Willst du ganz sicher gehen, koche dir einen Sud aus Waschnuss. Deine Haare werden aber auf Dauer nicht wirklich begeistert sein und: Chemie ist es dann auch.
Thema Düfte und Allergien
Ätherische Öle werden von vielen Kunden bevorzugt verlangt, weil: "Natur"! Synthetische Düfte sind böse. Warum ist das so? Weil "Orangenöl" natürlicher und gesünder klingt als "Parfumöl xyz"? Ist das ätherische Öl wirklich besser? Nein. Sicherheitsgutachter sind sich einig: ätherische Öle bieten ein um ein vielfach höheres Allergiepotential als Parfumöle. Viele raten vom Einsatz ätherischer Öle ab. Die allergenen Bestandteile beider Düfte sind gleich. Mittlerweile gibt es weniger deklarationspflichtige Allergene als vor ein paar Jahren. Lyral (=Hydroxyisohexyl 3-Cyclohexene Carboxaldehyd) wurde schon vor einigen Jahren verboten, Lilial (= Butylphenyl Methylpropional) wurde im März 2022 verboten.
Ein Parfumöl wird immer standardisiert hergestellt, somit hat jede Charge dieselbe Rezeptur. Die Menge der Allergene ist immer gleich, der Verbraucher kann sich darauf verlassen, dass die Charge 1 eines Shampoos mit diesem Duft dieselbe Zusammensetzung hat wie Charge 28 einige Monate später. Für Allergiker ein wichtiger Punkt. Man möchte nicht jede Charge am eigenen Körper neu austesten.
Bei der Verwendung von ätherischen Ölen sieht das völlig anders aus: jede Charge eines ÄÖs hat eine andere Zusammensetzung. Diese hängt von der Ernte der Pflanzen ab. Die Pflanzen ändern ihre Zusammensetzung je nach Wetter und Bodenbeschaffenheit. Theoretisch müsste jeder Hersteller, der mit ätherischen Ölen arbeitet, jede neue Charge noch einmal sicherheitsbewerten lassen. Denn jedes Charge ÄÖ hat andere Mengen an Allergenen. Somit ist der Einsatz von ätherischen Ölen einer neuen Charge immer eine Veränderung des Endproduktes.
Ein weiterer Punkt, der klar macht, warum ätherische Öle eben nicht unbedenklich, weil "natürlich" sind: schwangeren Frauen wird davon abgeraten, Produkte mit ätherischen Ölen zu verwenden.
Ich möchte dir nicht den Spaß an Naturkosmetik nehmen (die übrigens auch synthetische Düfte in kleinen Mengen einsetzen darf!), aber klar machen, dass ein pauschales Einordnen in Gut und Böse im Kosmetikbereich nicht zielführend ist. Kosmetik soll wirken und auch Spaß machen. Von daher suche dir deine Produkte so aus, dass sie dir gefallen!