
Gelée Royale – Herkunft, Chemie und Bedeutung in der modernen Hautpflege
Gelée Royale – auch Weiselsaft oder Königinnenfuttersaft genannt – besitzt in der Welt der Bienen eine Sonderstellung. Seit Jahrhunderten fasziniert das exklusiv für Königinnenlarven produzierte Sekret Imker, Heiler und Gelehrte und später auch die Schönheitsforschung: Gelee Royale wird eine Fülle von positiven Effekten zugeschrieben, von beschleunigter Wundheilung bis hin zu Anti-Aging-Eigenschaften. In unserem vierten und letzten Beitrag über Apitherapie betrachten wir die historische Entwicklung, moderne Methoden der Gewinnung, chemisch-biologische Eigenschaften, die Verwendung von Gelée Royale in Hautpflegeprodukten sowie die dermatologischen Chancen und Grenzen. Dieser Artikel dient der Vervollständigung unserer kleinen Blog-Serie über Bienenprodukte. Wolkenseifen selbst verwendet in seinen Produkten aus den unten aufgeführten Gründen kein Gelee Royale.
Von der Hofmedizin zum Laborrohstoff
Schon in der Antike erwähnten chinesische und griechische Autoren einen „königlichen Futtersaft“, der angeblich Vitalität verleihe. Gelée Royale sei einer der wertvollsten Schätze der Natur, denn die Bienenkönigin würde nicht als Königin geboren, sondern zur Königin gefüttert. Weil Bienenköniginnen um ein Vielfaches länger leben als gewöhnliche Arbeiterinnen (und täglich bis zu dreitausend Eier legen), wurden und werden die Wirkungen von Gelée Royale gerne auf den Menschen übertragen. Der Verzehr von Gelée Royale soll Lebenserwartung, Libido und Fruchtbarkeit erhöhen, das Immunsystem stärken, die Vitalität steigern und bei Beschwerden im Klimakterium helfen.
Die Substanz war lange ebenso selten wie geheimnisvoll; wirklich greifbar wurde Gelée Royale erst im 19. Jahrhundert, als man in der Imkerei Verfahren entwickelte, um nennenswerte Mengen zu isolieren und erste systematische (wissenschaftliche) Untersuchungen durchzuführen. 1922 gelang dem französischen Imker Étienne Gaston Delpech erstmals die Isolierung größerer Mengen Gelée Royale. Damit war der entscheidende Schritt in die Laborforschung möglich. Richtig populär wurde Gelée Royale nach dem Zweiten Weltkrieg: In Asien tauchten erste Cremes auf, in Europa folgte in den 1990er-Jahren im Rahmen der Suche nach natürlichen Wirkstoffen für Anti-Aging-Produkte eine regelrechte Welle an Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikseren. Trotzdem ist die Datenlage zur Wirksamkeit von Gelée Royale bis heute bestenfalls heterogen – Verbraucherzentralen bezeichnen das Produkt zwar als interessant, den Nutzen jedoch als unbewiesen.
Extremer Stress im Bienenstock
Gelée Royale entsteht in den Futtersaft- und Mandibeldrüsen junger Arbeiterinnen. Man entfernt die Königin vorübergehend aus dem Stock und setzt Weiselzellen (künstliche Waben) ein. Die Bienen füllen diese Näpfchen innerhalb von drei Tagen mit dem begehrten Stoff. Das Gelée – wenige Hundert Milligramm – wird sodann vorsichtig abgesaugt. Rohes Gelée Royale enthält Pollen- und Wachsreste und muss schnellstmöglich schockgefroren und auf diese Weise stabilisiert werden, um den enzymatischen Abbau zu verhindern.
Naturnah wirtschaftende Imker kritisieren das Verfahren, weil die wiederholte Entnahme einer Königin das Bienenvolk unter großen Stress setzt. In Deutschland gibt es daher nur wenige Betriebe, die Gelée Royale ernten – der Großteil des Angebots stammt aus China. Für den internationalen Handel legt eine ISO-Norm Mindestkriterien fest, beispielsweise einen Gehalt von 10-HDA (siehe unten) von mindestens 1,4 Gramm je 100 Gramm frischer Substanz.
Ethikdebatte
Die „Ernte“ von Gelée Royale stellt einen schweren Eingriff in die Struktur von Bienenvölkern dar, weil sie auf diese Weise zum massenhaften Heranziehen von Königinnenlarven gezwungen werden. Die ökologische Imkerei empfiehlt aus diesem Grund eine jährliche Entnahmemenge pro Volk von höchstens 200 Gramm, um die Brutpflege und Hygiene im Bienenstock nicht zu gefährden. Verbände wie Demeter oder Bioland begrenzen zusätzlich den Einsatz von Varroaziden.
Der Königinnen-Faktor - ein Cocktail aus Wasser, Eiweiß und Lipiden
Frisch "geerntetes" Gelée Royale besteht zu etwa zwei Dritteln aus Wasser. Weitere fünfzehn Prozent sind Proteine, darunter die sogenannten Major-Royal-Jelly-Proteine sowie Royalactin, ein Proteinmolekül, das als mutmaßlicher "Königinnen-Faktor" identifiziert wurde (Es soll angeblich die Entwicklung von Bienenlarven zu Königinnen beeinflussen, indem es das Größenwachstum erhöht, die Entwicklung massiver Eierstöcke fördert sowie die Entwicklungszeit insgesamt verkürzt.) Etwa elf Prozent entfallen auf verschiedene Zucker, außerdem fünf bis sechs Prozent auf Fettsäuren, hauptsächlich 10-Hydroxy-2-decensäure (10-HDA), deren Gehalt als Benchmark für die Echtheit dient. Des weiteren finden sich in Gelée Royale Vitamine der B-Gruppe, verschiedene Spurenelemente sowie geringe Mengen Acetylcholin. Die schiere Vielfalt zellaktiver Proteine, entzündungshemmender Lipide und feuchtigkeitsbindender Zucker in einer einzigen, natürlichen Matrix macht Gelée Royale für die Kosmetikforschung hochinteressant.
Wirkung auf die Haut
10-HDA hemmt in Zell- und Tierversuchen bestimmte Hautkeime und kann zugleich die Bildung von Kollagen fördern. Royalactin aktiviert bestimmte Signalewege des epidermalen Wachstumsfaktors (englisch epidermal growth factor, EGF), eines Polypeptids, was in Studien an Mäusen zu einer schnelleren Erneuerung der obersten Hautschichten führte. Laborversuche mit humanen Keratinozyten lassen überdies vermuten, dass Teile des Proteinspektrums von Gelée Royale die Bildung von Filaggrinen steigern. Filaggrine haben strukturbildende Funktionen für die Epidermis; die Hornschicht verdichtet sich, und die Haut verliert weniger Wasser. Daraus lässt sich folgern, dass Extrakte von Gelée-Royale vor allem zwei Hautbedürfnisse bedienen könnten: Regulierung des Feuchtigkeitshaushalts sowie Regeneration licht- oder entzündungsgeschädigter Areale.
Klinische Studien
Die bislang beste Evidenz liefert eine Doppelblindstudie mit vierzig Probandinnen: Eine Emulsion mit einem Gehalt von 0,5 Promille Gelée Royale führte nach vier Wochen zu einer Erhöhung der Hautfeuchte um zwölf Prozent sowie einem Absinken des transepidermalen Wasserverlusts um sieben Prozent. Andere Studien konnten zeigen, dass Königinnen-Futtersaft in Kombination mit UV-Filtern den Glutathionspiegel steigern kann, was Hinweise auf antioxidative Photoprotektionseffekte gibt. Darüber ergaben Split-Face-Versuche über einen Zeitraum von acht Wochen eine Faltenreduktionen von acht Prozent – allerdings ohne Placebokontrolle, weshalb Dermatologen nur eine eingeschränkte Aussagekraft in den Ergebnissen sehen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung betrachtet die Ergebnisse als vielversprechend, jedoch nicht abschließend belegt.
Kosmetische Bedeutung
Frisches Gelée Royale findet nur selten Verwendung in industriellen Kosmetikprodukten, weil die Formulierungen gekühlt werden müssen und dennoch nur wenige Wochen stabil bleiben. Üblicherweise kommt gefriergetrocknetes Pulver zum Einsatz, das in Konzentrationen zwischen 0,1 und 1 Promille in Seren oder leichte Cremes eingearbeitet wird. Manche Hersteller gehen einen Schritt weiter und lassen Gelée Royale zunächst fermentieren („vergammeln“). Auf diese Weise entstehen (Achtung, Marketingsprech!) „lysierte Post-Biotics“, die für empfindliche Haut verträglicher sein sollen. Typische Produktlinien sind Anti-Aging-Mixturen, Barriereschutz-Cremes für trockene oder neurodermitische Haut sowie After-Sun-Gele, die Rötungen mildern sollen. Das EU-Recht erlaubt lediglich kosmetische Redewendungen wie „unterstützt die natürliche Hautregeneration“; arzneiliche Versprechungen verboten und sogar strafbar.
Risiken und Kontraindikationen
So wertvoll die Zusammensetzung von Gelée Royale auch sein mag, so ernst zu nehmen ist das allergene Potential. Personen mit Pollen- oder Bienengift-Allergie sowie Asthmatiker können auf Gelée Royale sehr heftig reagieren, bis hin zu einem anaphylaktischen Schock. Ein Patch-Test am Unterarm über mindestens vierundzwanzig Stunden sollte daher als Mindestmaß an Vorsicht angewandt werden. Außerdem besteht immer die Gefahr von Pestizidrückständen: Bienenvölker, die mit Akariziden gegen die Varroa-Milbe behandelt werden, können Spuren des Milben und Zecken abtötenden Pestizids in ihr Gelée einführen. Daher sind Laboranalysen zu Pestizidrückständen, Schwermetallen und Antibiotika unabdingbar; die ISO-Norm verlangt mikrobiologische Reinheit und stabile 10-HDA-Werte.
Nachhaltigkeit
Gelée Royale ist zwar im Gegensatz zu vielen anderen (synthetischen/petrochemischen) Anti-Aging-Produkten biologisch abbaubar, bleibt aber dennoch eine knappe Ressource: Die weltweite Produktion wird auf weniger als 200 Tonnen jährlich geschätzt, was kaum ausreicht, um den Bedarf der Kosmetikindustrie zu decken.
Synthetisches Royalactin und Nano-Verkapselung
Weil die natürliche Verfügbarkeit begrenzt ist und der Bedarf ständig größer wird, werden biotechnologische Methoden zu Herstellung von Royalactin erforscht. Kürzlich wurden die ersten Patente für ein rekombinantes Protein aus Hefekulturen angemeldet. Parallel dazu wird an der Entwicklung liposomaler Träger gearbeitet, die empfindliche Wirkbestandteile vor Hitze und Oxidation schützen und auf diese Weise geringere Dosierungen ermöglichen.
Zusammenfassung
Gelée Royale vereint auf einzigartige Weise feuchtigkeitsbindende Zucker, barrierestärkende Proteine und entzündungshemmende Lipide. In vitro sowie in ersten kleineren Humanstudien konnte ein moderater Nutzen für Hautfeuchte, antioxidativen Schutz und Faltenminderung bestätigt werden. Gleichzeitig erfordert das hohe Allergierisiko eine vorsichtige Anwendung, und der Eingriff in den Bienenstock wirft ethische Fragen auf. Wer sich für Gelée Royale enthaltende Pflegeprodukte entscheidet, sollte darauf achten, dass der Gehalt an 10-HDA deklariert ist sowie lückenlose Schadstoffanalysen vorliegen. Des weiteren ist die Unterscheidung zwischen kühl- oder lyophilisatgestützter Verarbeitung von Bedeutung. Insgesamt stellt Kosmetik mit Gelée Royale eine keineswegs Wunder bewirkende Ergänzung anspruchsvoller Hautpflegeroutinen dar. Kosten und Nutzen sollte jeder für sich selbst abschätzen.
Quellen
1. Verbraucherzentrale Bundesverband: „Gelée Royale – königliches Anti-Aging?“
2. Natural Origins: „ISO 12824 – Qualitätskriterien für Gelée Royale“
3. Wikipedia „Gelée royale“
4. PMC-Artikel: „10-HDA, the major lipid component of royal jelly“
5. PubMed-Studie: Wang K. et al., „Royalactin unlocks pluripotency pathways“
6. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Stellungnahme zu Gelée Royale und Allergierisiken





